Ein Fussel

Ein Fussel, so unverkommen und leichtlebig, hebt sich über das Rauschen und das Knacken, das den Hintergrund wie einen Teppich ebnet. Fragmente aus Field-Recordings, sporadische Erinnerungsstücke, flüchtig, niemals greifbar. Aber umso evokativer sind die Klänge, die daraus entstehen. In Gedanken, Bildern, Assoziationen und Gerüchen. Jenny Berger Myhre gelingt es, mit ihrem Debut-Album auf Canigou Records Momente in Songs einzufangen, die nahbar werden und sich öffnen, während sie ihre Unbedarftheit behalten, sich zurückziehen und im warmen Rausch der Intimität laben.

Es fühlt sich an wie Tagträumen, unterbewusst und gemütlich und befriedigend, Gedanken schweifen langsam ab von der Hektik des Alltags und verlieren doch nie ihren Bezug. Gerade auch aus diesem Grund stellt sich nach den ersten Minuten ein nostalgisches Gefühl ein, das dieses Album wie auf Samthandschuhen trägt. Man will sich weiter und tiefer in diese verstrickten Collagen vergraben.

Die Singer-Songwriter Passagen driften nämlich bald in verwobenere Strukturen ab, ratternde Synthesizerfetzen sprenkeln sich wie Farbtropfen über die Arrangements und irgendwann bleibt nur das einzelne Recording über. Von klapperndem Geschirr, von Fußstapfen im Schnee und verschobenen Stühlen. Die Melodien sind subtil und weich, in ihrem Klangcharakter einmalig einlullend und vertraut. Einzelne zart gezupfte Akkorde auf einer Gitarre legen sich in „Jordan“ über abstrahierte Gesprächsfetzen. Vor Fragilität zitternde Arpeggios leiern im Hintergrund. Es entsteht eine Intimität, ganz so, als wäre man selbst dabei gewesen. Im spärlich ausgeleuchteten Zimmer und nur da gestanden. Zugeschaut.

Fast könnte man meinen, die Stücke würden sich wie eine zweite Schicht über den eigenen Gemütszustand legen, einen wärmen und ermutigen, die Stille und Dynamik, die sich zwischendurch immer wieder auftut, ausgelassen abzuwarten. Nur nichts überstürzen, don’t be afraid. Jedes einzelne der acht Stücke ist eine Hommage an den Moment. Jenny Berger Myhre gibt ihnen einen neuen Kontext, der sich anders gibt und so sehr abweicht vom ursprünglichen. Und doch: Es fühlt sich richtig an, das Gefühl von intimer Offenheit bleibt. Ein wunderbares Album.

 

Review: Jenny Berger Myhre – Lint (Canigou Records, released March 1, 2017)

https://canigourecords.bandcamp.com/album/lint

Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: